Auf der Spur des Wolfes

Reichenau an der Rax - Damböckhaus und retour, 21. August 2011, 02:00 - 10:40 h

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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, doch gleichzeitig auch nicht alles. Diese Unternehmung war für mich herausragend und ich will auch in einigen Jahren mehr Erinnerungshilfen haben, als die Photos:

https://picasaweb.google.com/UdoTru/20110821AufDerSpurDesWolfes#

und die Eintragungen in die Trainingsdatei (die ja nur wenig mehr aussagen):
"2108/Reichenau Kuranstalt Thalhof - Eng - Hallerhaus - 135´ Krumbachstein (85´ Pause) - Emmasteig - 75´ Damböckhaus (80´ Pause) - Waxriegel - Bleiken - Eng - 145´ Kuranstalt -> Schwarzakühlung/22,5 km/2182 Hm/355´/16 - 14 - 25 °C /Stirnlampen-DH Uff, aber sooo schön, auf der Spur des Wolfes!"
Deshalb schreibe ich diesen Bericht, der auch für Euch eine unterhaltsame Lektüre sein mag:
Ein Wochenende vor dem Dogtrekking Stezkou vlka/Pfad des Wolfes über angekündigte 100 km war ich Strohwitwer und der zweite Doghike mit Gerhard, zur Erkundung der Umgebung des "Mödlinger Gebirges", wegen seiner auf diesen Samstag verschobenen Küchenlieferung abgesagt. Der nun im August doch zunehmend souveräner und mit aller Kraft regierende Sommer mit bis zu und über 30 °C ließ mich die Probebegehung der Strecke für den Wechselland-Doghike schnell vergessen. Eine Nachtetappe war die Unternehmung de Wahl! Es gib zudem auch höhere Gefilde, wo es kühler ist und Lüftchen die Intensität der Sommersonne mildern. Hat mich dieser "Waldy" aus einem Forum nicht kürzlich an einen Besuch denken lassen? Hier der Originaltext aus http://www.gipfeltreffen.at/showthread.php?t=46933: "Wolf am Schneeberg gesichtet
Es war am Pfingstmontag um 20 Uhr als eine Wandergruppe die im neu renovierten Damböckhaus nächtigten vor die Hütte gingen um den Steinadler noch mal zu beobachten denn sie auf den Weg zur Hütte gesichtet hatten. Auf den Gegenhang grasten einige Gämse die plötzlich in voller Flucht in den Saugraben absprangen. Als die Gämse verschwunden waren, tauchte auf dem Hang ein vermeinter Hund auf. Der die Spur der Gämse folgte und in einem nochvorhandenen Schneefeld verhofte und zu der Wandergruppe blickte. Einer der Gruppe der sich mit Wildtieren auskennt borgte sich vom Hüttenwirt ein Fernglas und konnte mit diesem beobachten, das es sich nicht um einen wildernden Hund handelte, sondern um einen jüngerenWolf. Als ich mit der Kamera und Specktiv zur stelle waren, ist der Wolf leider Richtung Bockgrube so schnell wie er aufgetaucht ist wieder verschwunden."

Etwas nach Mitternacht waren Sannerk und ich im Auto, das leichte Gepäck entsprach der Pflichtausrüstung für ein Dogtrekking. Die erst unlängst erprobte Kombination von Hüfttasche und kleinem Rucksack sollte einer Gebirgstaufe unterzogen werden. Angeschriebene 1,5 km vom Schloß Reichenau im Ortskern ist die Kuranstalt Thalhof gelegen, wo mein Auto einem einsamen Kollegen fortan Gesellschaft leistete. Es war 02:00 Uhr und es hatte 16 °C mit satter Luftfeuchtigkeit. Der nur mehr zur Hälfte sichtbare Mond strahlte in einer unglaublichen Intensität, im Freiland und lichteren Wald war keine Stirnlampe nötig! Wir kamen zügig voran und mein Schweiß begann in Strömen zu fließen. Eine zauberhafte Schlucht namens Eng ging es nach dem Mariensteig bergauf, das Mondlicht und die Bäume warfen ihr stirnlampenerübrigendes Schattenmosaik auf den Boden, ein sanftes, permanentes Lüftchen verwöhnte mich. Der Weg wurde flacher und ging in eine Forststraße über, die irgendwann in einem Wildwechsel weiterverlief. Wir folgten dem Tälchen und standen plötzlich auf einer Forststraße. Die Karte verriet mir, daß wir den markierten Weg verlassen hatten und unmittelbar vor einer Forststraßenkreuung sein mußten. Einige Meter nach rechts und: da war sie. Die sah aber anders aus, als auf der Karte! Hm, naja, das ist ja nicht neu, daß das Forststraßennetz in natura schneller wächst als auf der Wanderkarte. Ach so, die andere Kreuzung, ja, die paßt zu den Gegebenheiten vor Ort! Also nach links zum Friedrich-Haller-Haus, das sich als abgesperrte Baustelle mit kleinem Kran entpuppte: also KEIN Haus, nur Wegweiser. Der Himmel war noch immer stockfinster und die Baustelle versperrte den direkten Einstieg zum gewählten Wanderweg um den Krummbachstein. Einige Meter, nach Himmelsrichtung gegangen, brachten uns nach einem Wiesenpfad durch Gebüsch zur nächsten Markierung im Wald. Zuerst ging es etwas bergauf, dann folgt der Weg mehr oder weniger einer Höhenlinie entlang zum Krummbachsattel, ab dem uns der knackige Aufstieg auf den Waxriegel und zum Damböckhaus erwartete. Entlang der Höhenlinie sind wir jedoch nie gegangen, weil ich die Abzweigung einfach nicht gesehen habe und in Erwartung der baldigen flach verlaufenden Erholungsstrecke deutlich zu flott meinem Sannerk hinterhergestiegen bin. Bergauf, fast immer bergauf, Abgründe entlang bergauf. Schweiß floß wieder in Strömen und tropfte unentwegt von meinem Kappenrand, jetzt war es schon egal, ich wollte nicht mehr umdrehen. Ein kurzes Wasser- und Snackpäuschen und weiter ging es in dieser der Anstrengung zum Trotz bezaubernden und beflügelnden Szenerie, bis plötzlich ein Gipfelkreuz vor uns stand. Es war 04:15 Uhr, der Himmel war noch immer pechschwarz, der Mond tauchte alles in sein Licht, es war überwältigend schön. Schnell war die Überjacke angezogen und die Unterlagsmatte in der windgeschützen Mulde neben dem Gipfelkreuz ausgelegt. Sannerk und ich labten uns und genossen den Ausblick. Ich wollte in der Finsternis nicht absteigen, was nun nötig war, um zum Krummbachsattel zu gelangen. Eine gute Stunde habe ich fest geschlafen. Als ich beim Umdrehen kurz die Augen öffnete, durfte ich die beeindruckende Farbintensität des sich ankündigenden neuen Tages erleben. Ein Geschenk, denn je heller das Himmelsblau, desto blasser wurden die Vorboten der aufgehenden Sonne. Mit dem Schlaf war es ziemlich vorbei. Verschlafen spähte ich immer wieder gegen Osten und langsam schlich sich eine unangenehme Kälte ein. Es hatte 14 °C, aber ich war noch immer total verschwitzt. Eine halbe Stunde habe ich noch verschlafen photographiert und die Stimmung genossen, bevor wir nach einer kleinen Stärkung und Wasseraufnahme den Weg fortsetzten, ich mich dem Zittern entzog. Die Dunkelheit der Nacht war schon längst dem Tageslicht gewichen - weiter ging´s! Für mich hätte hier auch der Wendepunkt der Wanderung sein können, für meinen Schweinehund (NICHT Sannerk!) sowieso. Für mich, weil ich meine Umgebung, das Mondlicht, das Morgenorange, die Gemeinsamkeit mit Sannerk voll in mich aufgenommen und genossen habe, für meinen Schweinehund, weil er sich beim viel zu schnellen Aufstieg gemeldet hatte. Am Gipfelkreuz angekommen verspürte ich aber auch das Gefühl angekommen zu sein, es vollbracht zu haben, am Ziel zu sein. Andererseits gab es da noch ein Ziel im Kopf und mit neuen Kräften sowie der empfundenen Kälte als Starthilfe marschierten wir wieder weiter. Am Beginn des Abstieges sah ich bei einem Blick zurück unseren Schlafplatz in die ersten Sonnenstrahlen getaucht. Wir stiegen ab, um dann wieder - über den Emmasteig - aufzusteigen. Die Sonnenstrahlen erreichten uns nur ganz kurz am Sattel und später schon recht hoch oben, bald am Ziel. Nach einigen Schritten war mir schnell wieder warm und rasch hatte ich auch die dünne Softshelljacke ausgezogen. Während des Aufstieges legten wir immer wieder kurze Verschnaufpausen ein, denn trotz Drosselung legte Sannerk noch immer ein resches Tempo vor.
Gemsen müssen ganz besondere Tiere sein. So wenig jagdlich motiviert Sannerk bei Rehen und Wildschweinen ist, so magnetisiert ist er von Gemsen. Im Gemsenturbo ging´s die letzten Meter auf und die ersten Meter über das Plateau. Ein beruhigendes Wort - oder zwei, drei - und er beruhigte sich wieder. Interessanterweise ist sein Drang zu den Gemsen hin auf größere Distanz spürbar stärker. Wir waren angekommen, hinter der letzten Kuppe erwartete uns das Damböckhaus und der Wolfsgraben, der allerdings nur in den Karten mit dem Maßstab 1:25000 eingetragen ist. Quasi zur Begrüßung hatte einer der umherfliegenden Raben eine Feder fallen gelassen, die nun meine Bergkappe ziert. Es war 06:55 Uhr. Angenehm wirkten nun die Sonnenstrahlen der Abkühlung durch den sanften Wind entgegen, weil wir nicht mehr marschierten. Vor der Hütte war ein Übernachtungsgast mit seinem Hund zur ersten Gassirunde unterwegs, eine Kuhherde graste in Richtung Klosterwappen, Gemsen grasten nahezu überall, Raben zeigten Flugkunststücke in der Luft - Friede :)

"Mit dem Frühstück im Damböckhaus wird wohl nichts werden", dachte ich, "weil ich nicht mehr am Bankomat war". Aber Sannerks Wasserflasche wollte ich auffüllen, was ich auch tat. So lernte ich doch den urigen Hüttenwirt Wilhelm Zottl alias "Waldy" kennen und er antwortete mir: "Bei uns kannst´ eh mit Bankomat bezahlen." -> Ham and eggs, schwarzer Kaffee, Cappy und eine nette Unterhaltung mit neuen Informationen bereicherten diesen Tagesanfang :) Das Friedrich-Haller-Haus ist abgebrannt, erzählte er, nachdem ich von meiner Streckenführung und der Baustelle berichtetete. Zum Thema Wolf wußte er sogar von einem aktuellen Photo zweier Wölfe an einem Hirschriß im Bereich der Mamauwiese.
Nach einer besinnlichen Pause am Waxriegelkreuz begaben wir uns auf den Rückweg, um nicht in die größte Hitze zu kommen - auch, wenn es nur mehr bergab ging. Diesmal umgingen wir den Krummbachstein wirklich, ich wählte jedoch die Variante über die Bleiken anstatt über den Wassersteig. Eine Abkürzung nach der Karte brachte uns zu genau jener Forststraßenkreuzung, auf die wir beim nächtlichen Anstieg vom Tälchen nach der Eng gelangt sind. Diesmal suchten wir den markierten Einstieg und ich konnte die Karte einstecken, denn wir waren bald auf unserer eigenen Duftspur bergab unterwegs. Die Eng und der Mariensteig sind auch bei Tageslicht erlebenswert - ich finde es immer wieder interessant, ein und dieselbe Landschaft zu unterschiedlichen Zeiten, Stimmungen, Lichtverhältnissen, Jahreszeiten ... zu sehen. Je tiefer wir kamen, umso wärmer und schwüler wurde es (knapp vor dreiviertelelf Uhr 25 °C beim Auto), doch mit dem frisch Erlebten gestärkt, konnten wir das locker wegstecken - Sannerk spätestens nach seiner zweimalig schwimmenden Durchquerung der Schwarza im Höllental.

Ein sehr netter Ausklang und eine äußerst angenehme Erfrischung stellte am Heimweg der Besuch bei Petra und Wolfgang samt Hunden dar. Sannerk war bei zwei Mädels im Luxuszwinger und wir Zweibeiner saßen wie üblich bei Kaffee und Kuchen, diesmal unter hohem Schatten bei mehr als 30 °C und nicht im verschneiten Wohnwagen in Destne. Vielen Dank auch für die Reserveskier!